Einer der PetzCo’s kam wieder auf die Idee, etwas „Verrücktes“ zu machen. Mit dem Rad. Die Fakten vorweg:
- Dauer: 2 Nächte
- Kilometer: 214
- Höhenmeter bergauf: 4.808
- Höhenmeter bergab: 4.464
- Kalorien verbrannt: >7.700 (gefühlt: doppelt so viel)
- Route: Chur – Lenzerheide – Bergün – Albula – St. Moritz – Maloja – Chiavenna – Splügenpass – Thusis
- Anstieg des Wahnsinns: Splügenpass, 1.750 hm auf 32 km
🏁 Tag 1 – Willkommen in der Hitzekammer Lenzerheide
📍Chur → Bergün | 63 km | 4:30 h Aktivzeit | 1.523 hm hoch | 770 hm runter | 2.460 kcal

Der Tag startete vielversprechend: mit einem ausgefallenen Zug in Stuttgart. Die erste Challenge also direkt früh am Morgen mit der kurzen Sorge, dass der Ausflug bereits vorbei sein wird, bevor er überhaupt losging. Einige Recherche und Umstiege später ging’s dann doch noch los – mit nur einer Stunde Verspätung in Chur.
Lenzerheide – klingt wie eine Mischung aus Wellnesshotel und Bio-Kräutertee. Dorthin geht es quasi direkt ab dem Bahnhof stramm nach oben. Landschaftlich? Naja. Vielleicht hab ich’s einfach nicht gespürt, weil mein Körper damit beschäftigt war, sich dezent auf die bevorstehenden Strapazen bei Backofen-Temperaturen einzustimmen.
Richtung „Passhöhe“ (so richtiges Pass-Feeling hat das Ding nicht..) wurde es dann sehr zäh und mürbe, bevor ein Kaltgetränk als Belohnung wartete. Die Abfahrt war dann wenigstens ein Trostpreis – inklusive Bonussteigung durch Navigationsinkompetenz.
Kurz vor Bergün gab’s dann noch eine ganz fiese Rampe – oder ich war einfach komplett leer. Wahrscheinlich beides. Der Tag endete in einem klassischen Hungerast-Desaster – gepaart mit Müdigkeit. Mit zahlreichen kurzen Stops ging es die letzten Meter hoch bis ans Ziel, das ich gegen 17 Uhr erreichte. . Dinner-Menü: Luft und Erschöpfung. Guten Appetit.
⛰️ Tag 2 – Hochplateau der Gefühle (Albula!) & Maloja-Magie
📍Bergün → Chiavenna | 83 km | 5:00 h Aktivzeit | 1.245 hm hoch | 2.176 hm runter | 2.500 kcal

Start 08:15. Der Albula ist einfach ein schöner Pass – gleichmäßig, ruhig, mit Rhätischer Bahn zur Unterhaltung. Und diesmal war ich besser darauf eingestellt: Energieaufnahme wie ein Profi. Keine Chance für den Hungerast!
Oben angekommen: Panorama-Traum auf 2.300 m. Danach runter Richtung St. Moritz – mit Mini-KollapsA am Bobbahn-Aufstieg. Offensichtlich kann auch zu viel Abfahrt die Beine beleidigen und macht sie dann kalt und müde. Die Pause am gut besuchten Windsurf-See kümmerte sich um das Problem.
Und dann kam Maloja. Wahnsinnig tolle Abfahrt. Bester Asphalt, kaum Autos, rhythmische Kurven wie ein gut komponiertes Schlagzeugsolo. Wenn’s für sowas einen Michelin-Stern gäbe – zack, sofort verliehen! Die mir entgegenkommenden Radfahrer beneidete ich allerdings so gar nicht, denn sie erinnerten mich an das, was mich am Folgetag erwarten sollte.
Abends war dann Italien angesagt: Pool, Gebirgsbach, Pasta und ganz viel Grübeln über den nächsten Tag. Splügenpass oder Softvariante via Comer See? Was machen die Beine, was macht das Sitzfleisch? Spoiler: Ich hab den Hammer gewählt… wenn schon, dann richtig!
🧗♂️ Tag 3 – Der Splügen
📍Chiavenna → Thusis | 68 km | 5:42 h Aktivzeit | 2.040 hm hoch | 1.518 hm runter | 2.800 kcal

Die Nacht? Mies – Nervosität, Straßenlärm. Die Mission? Klar: Den Splügen knacken und dann in Thusis einen Zug zurück erwischen, weil am Sonntag nichts mehr anderes wartete, was es zu erreichen gegeben hätte. Wetteraussichten? Kooperativ bis drohend.
Von Chiavenna ging’s quasi ohne Großes Warmwerden direkt in die Wand. Der Splügen hat wenigstens Charakter – zwei Zwischenplateaus zur Selbstreflexion, Gallerien und Tunnel in senkrechtem Fels und genug Anstieg, um sich mit dem inneren Schweinehund auseinanderzusetzen.
Ernährung war der Schlüssel für den Anstieg. Alle 20–25 Minuten gab’s Nachschub. Bevorzugt Gels, wie ich lernen müssten. Riegel gingen runter wie Schmirgelpapier, das war nichts. Gummibärchen hatte ich zu wenig. Mit jeden erklommenen Hundert Höhenmetern schrumpfte der Zuckervorrat bedrohlich. Erlösung brachte ein Eistee bei km 29 kurz vor dem letzten Abschnitt. Die Devise lautete zudem Pausen kurz halten (3 Minuten), sonst sagt der Körper ganz schnell „ciao“.
Bei km 32 war ich oben – unspektakuläre Passhöhe, aber ganz ehrlich: ein riesiger Moment. Was alles möglich ist für mich, wow! Fotos und ein paar Schwätzchen mit anderen Radfahren und dann voll in die Abfahrt über die Viamala-Schlucht – ein starker Abschluss mit satten Kurven, schönem Tempo und tollem Cruisen voller Zufriedenheit, es wirklich durchgezogen zu haben. Pünktlich einen Zug erwischt und just dem beginnenden Regen entkommen. Läuft!
🧾 Fazit – Drei Tage später, drei Erkenntnisse reicher
- Der Umbau auf eine bergfreundlichere Übersetzung am Gravelbike war goldwert (11×46; 38). Sonst wäre ich vermutlich irgendwo zwischen Albula und Nervenzusammenbruch gestrandet. Wahrscheinlich an Tag 1 noch..
- Energiezufuhr ist König. Wer denkt, er könne „später was essen“, darf sich über plötzliche Antriebsabschaltung freuen. Je flüssiger die Energie, desto angenehmer.
- Geht das? Ja. Und Nein. Ich wusste: Wenn ich mich entscheide, dann zieh ich’s durch. Und der König Splügen war besiegbar – sogar so, dass ich in Thusis eigentlich auch locker hätte weiter fahren können, wäre nicht verlockend ein passender Zug da gestanden.